Samstag, 12. Januar 2013

Tropenfieber, -feuer, -feier

Tee, Kaffee, Fruchtsaft, Milchreisschnitten, Zwiebelsambal, Toast, Spiegelei, Butter, Aprikosenmarmelade, Wassermelone, Ananas, Papaya, Orange

"Da fällt mir ein, dies ist riesig bedauerlich, denn ich werde das Buch, das ich über meine Erfahrungen vom Verkehr und der Wirkung von Mensch auf Mensch schreiben wollte, nie mehr schreiben. Ich hätte es "die Tropen" genannt; nicht nur dem Milieu zuliebe und gleichsam der hypertrophischen und deutlichen Entfaltung aller menschlichen Beziehungen wegen, die hier rein und ungehemmt, tropisch sozusagen ins Kraut schießen; nicht nur, weil das gesamte menschliche Gefühlsleben auf sein Vegetatives zurückgeführt ist: sondern aus Hinterlist, aus Spitzfindigkeit, weil alles Gegebene immer nur eine poetische Methode, ein Tropus ist, und weil mich dieses seltsame Gewächs reizt, das wie eine Vegetation von purem Stoff haushoch, elefantiasisartig anschießt, mir unter die Füße wächst und meinen Standpunkt hebt, und dessen Säfte noch immer mein eigenes rollendes Blut sind und nichts Fremdes. Ha, wie ich dieses Buch geschrieben hätte, flott und fürstlich und überlegen und ohne Sentimentalität jener Demütigungen, die es mir eingaben! Jetzt ist es zu spät, mein Gehirn ist noch zärtlich wie ein indianischer Sommer, aber ohne Kraft. Ich bin tot und werde es nie schreiben; tot wenigstens zum Bücherschreiben, denn meine Schmerzen haben mich weise gemacht und ich kann schweigen." (aus "Tropen", von Robert Müller, 1915)

Ich habe das Vergnügen, an einer Festlichkeit mit 12 singhalesischen Herren teilzunehmen. Auf meine Frage, ob an solchen Festivitäten immer nur Männer anwesend wären, antwortet Gihan, der mir als Übersetzer dient, zustimmend. Der Stuhlkreis um unseren runden Eßtisch ist erst zur Hälfte belegt und ich setzte mich neben einen Herren, der eine, eher gedrungene, kräftige Statur und einen buschigen, natürlich pechschwarzen, Schnauzbart sein Eigen nennen kann. Neben dem bekannten Arak, 2 Flaschen, stehen zur allgemeinen Benutzung noch 1 Flasche Brandy, 2 große Flaschen Cola, ein Teller mit 6 Hummern und eine Schüssel mit Hähnchencurry auf dem Tisch. Alle Stühle sind nun besetzt, indem einer der Herren mir die geschlossene Flasche Arak entgegenhält, werde ich aufgefordert, die Runde zu eröffnen. Da der blecherne Verschluß der Flasche mir für den Moment Widerstand leistet, wird sie durch die andere ersetzt und ich kann in mein Glas zwei Finger breit von dem Palmschnaps und die gleiche Menge Cola giessen. Jede meiner Handlungen wird mit der gleichen Aufmerksamkeit beobachtet, wie auch ich darauf fokussiert bin, die Situation als Gesamtes zu erfassen. Die Neugierde auf beiden Seiten ist offensichtlich. Alle meine Festgenossen, bis auf Gihan, der sich anscheinend auf seine Übersetzertätigkeit konzentrieren will, haben es mir gleich getan und ich kann mit einem beherzten "Prost", das tatsächlich erwidert wird, den Reigen beginnen. Von dem Hummer, der gleich darauf gereicht wird, breche ich mir ein ordentliches Stück ab, das Hühnercurry muß ich leider zurückweisen, da ich erst vor 20 Minuten mein Dinner zu mir nahm und das Curry ein Teil davon gewesen ist. Das übliche Geplänkel, woher ich denn komme, wie alt ich sei, mein Nachbar ist 42, daß seine Frau auf ihn sauer sei, weil er jetzt feiert und Arak trinkt und ob er sie mit Schlägen gefügig machen solle. Wie sich spätestens jetzt herausstellt, ist meine männliche Tischdame der exaltierteste aus unserer Gemeinschaft und unter allgemeinen Lachen verweigere ich die Antwort auf die Frage mit seiner Gattin, weil ich sie doch gar nicht kenne und so auch nicht entscheiden könne, ob Prügel bei ihr hülfen. Wie ihr bemerkt, der allgemeine Alkoholspiegel ist schon gestiegen, da kommt ein knapp 30-Jähriger mit Vollbart und dem Alukochtopf aus der Küche. Das ist für meinen Nachbarn das Zeichen aufzuspringen und mit ausgestreckten Armen einen Kampfschrei von sich zu geben, der sich aber umgehend als die ersten Worte eines Liedes erweisen wird, denn der Vollbart ist eigentlich Trommler und nimmt mit einem Löffel in der einen und seiner bloßen anderen Hand den Rythmus auf. Gleichzeitig stimmen meine anderen Kumpels ein und geben dem Vorsänger eine Antwort. Dies ist das tragende Prinzip aller Lieder, die nicht einfach von Anfang bis Ende durchgesungen werden, sondern oft fängt der eine an, weiß den Text nicht mehr, dann übernimmt ein Anderer, oder der Chor singt nur den Refrain mit. Mir erscheint, die singhalesischen Lieder haben weit mehr Dialogcharakter und lassen sehr viel mehr Raum für Spontaneität, als unsere Lieder. Weiterhin wird nicht nur gesessen und der Takt wahlweise auf dem Tisch oder dem eigenen Oberschenkel geschlagen, sondern bei manchem tanzt der Öberkörper und die Texte werden mimisch und gestisch interpretiert. Der Aufforderung ein deutsches Lied von mir zu geben, kann ich mich erfolgreich entziehen. Die erste Flasche ist leer und einige der Herren setzen zu einem munteren Tänzchen an, andere nicht. Mein Beitrag dazu ist, die Hand eines der Tänzer für kurze Zeit zu halten und rythmisch mitzuschwingen, von den Beobachtern mit einem zustimmenden Lächeln kommentiert. 3 - 4 mal versichert mein Tischherr, dass, ohne finanzielle Hintergedanken, wenn ich Hilfe bräuchte, etwa Kingcoconut, wenn er für mich kochen solle, er ist Koch, oder Ähnliches, er jederzeit dazu bereit wäre.
Fazit unserer netten Herrenrunde, Sri Lankaer vertragen nicht soviel Alkohol wie Europäer, wir hatten alle viel Spaß und ich fühle mich wieder ein bißchen mehr angenommen.


Ich habe jetzt beschlossen, den Rest meines Aufenthaltes in Puranagama zu verbringen und mir es noch ein wenig häuslicher einzurichten.­­

Stringhoppers, Hähnchencurry, Paprikasalat, Okracurry, Knoblauchkartoffeln, Bohnen, Kuhjoghurt, Lion Lager.

P.S.: Ich würde die beiden Videos gerne im post, entsprechend dem inhaltlichen Zusammenhang plazieren, gelingt mir aber nicht, eben kein WYSIWYG.
Am besten man schaltet unten im Player, rechts auf  "fullscreen", die volle Auflösung gibts, wenn ich wieder zurück bin.

3 Kommentare:

  1. Hervoragend! Subber Text und Videos!
    Nicht nur Dir scheint es dort gutzugehen, auch die Herren oben und unten in den Videos lassen es sich schmecken, obwohl ich vier Eier zum Frühstück für bedenklich halte.
    Wäre es möglich, einige Ausschnitte aus dem Sangesgut aufzunehmen (mit rhythmischem Händchenhalten)? So dass wir daheimgebliebenen uns in Bild und Ton einen Eindruck verschaffen können?
    gruß googlemeier

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  2. Auf dem jüngeren Sylvesterpost, das eine Filmchen ist ein Ausschnitt, eben der Sylvesterfeier. Das kommt nicht annähernd an die letzte Feier heran. Nur dort habe ich Aufnahmen gemacht, bei der oben beschriebenen Feier, habe ich mich auf das Teilnehmen konzentriert. Ich bearbeite noch einen song vom Sylvester. Also, etwas Geduld...

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  3. Müsli, Kaffee, muß noch vier Minuten warten, bis die Tabletten wirken, wie immer...draussen ca. 20 cm frischer Schnee...bereit für die kleine Schneetour zur Schule.

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